Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift
„DAS GRUNDEIGENTUM“, Heft 21 – 2013

Mit Anstrichen gegen Schimmelpilz im Innenraum

Was Anti-Schimmelanstriche tatsächlich können

Immer wieder zur Herbstzeit tauchen am Werbehimmel vollmundige Versprechungen auf, die sowohl Verarbeitern als auch Verbrauchern, die ultimative Lösung von Schimmelpilzproblemen in Innenräumen mit speziellen Anstrichmitteln anpreisen. Es wird häufig erklärt, dass mit Verwendung dieser Farben der Schimmelpilz nachhaltig beseitigt oder vermieden werden kann. In der Regel wird darauf verwiesen, dass die schimmelpilzvermeidende Wirkung nun definitiv durch Labor- oder Praxistests nachgewiesen wäre. Beim genaueren Hinschauen oder Nachfragen stellt man fest, dass diese Darstellungen doch nicht immer in vollem Umfang zutreffen. Deshalb sollen hier exemplarisch drei typische Produktgruppen beleuchtet werden.

Zuvor möchte ich jedoch in Kürze die Wachstumsbedingungen für Schimmelpilze zusammenfassen:

  1. Für die Entwicklung von Schimmelpilzen ist die Existenz von entsprechenden Sporen erforderlich. Schimmelpilzsporen unterschiedlicher Art sind sowohl im Innenraum, als auch im Außenbereich, allgegenwärtig. Damit sich daraus Schimmelpilze entwickeln können, müssen nachfolgend benannte Rahmenbedingungen erfüllt werden.
  2. Als Grundlage für ein Schimmelpilzwachstum wird ein sogenanntes Substrat, welches Nährstoffe (in Form von organischen Kohlenstoffverbindungen, z.B. Zucker, Zellulose, Lignin   und außerdem auch Salze sowie Stickstoffquellen) enthält, benötigt. Diese Nährstoffe kommen u. a. auch in Anstrichen, Tapeten und Putz vor und sind somit praktisch in der einen oder anderen Form in jedem Innenraum vorhanden.
  3. Der optimale Temperaturbereich für Pilzwachstum liegt zwischen 20°C und 35°C. Es ist jedoch auch Wachstum über und weit unter diesem Temperaturbereich möglich. Auch in dieser Hinsicht erfüllen Innenräume die erforderlichen Bedingungen.
  4. Grundsätzlich gedeihen Schimmelpilze im sauren Milieu (pH-Wert > 2) besser, als im basischen, jedoch kann nur ein sehr hoher pH-Wert > 11 (= basisch/alkalisch) ein Schimmelwachstum verhindern.
  5. Der einzige Punkt, der prinzipiell über ein tatsächliches Schimmelpilzwachstum entscheidet ist die Anwesenheit von Feuchtigkeit. Dabei muss diese nicht nur als flüssiges Wasser (z.B. Kondensat an Oberflächen) verfügbar sein, sondern es genügt schon eine hohe relative Luftfeuchtigkeit (> 70%) in der Nähe der (Wand-) Oberfläche.

Was haben also die verschiedenen Produktgruppen diesen Bedingungen entgegen zusetzten?

I. Dispersions-Innenwandfarben mit fungiziden Zusätzen

Das ist der Klassiker! Diese Produktgruppe entfaltet ihre Wirkung durch fungizide Zusätze, bestehend aus organischen und teilweise anorganischen Wirkstoffen, die temporär pilztötend wirken. Da es bei der Verwendung dieser Produkte zu einer Freisetzung von gesundheitsgefährdenden Stoffen kommen kann, rät das Umweltbundesamt in seinem „Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ [1] von einer Verwendung in bewohnten Innenräumen ab.

II. Dispersions-Silikatfarben

Die schimmelpilzwidrige Wirkung von Dispersions-Silikatfarben beruht auf deren anfänglicher Alkalität mit einem pH-Wert > 11. Da also einzelne Schimmelpilzarten pH-Werte zwischen 2 und 11 tolerieren, erzeugt diese Produktgruppe zunächst einen wirksamen und gesundheitlich unbedenklichen Schutz vor erneutem Schimmelpilzbefall. Unter Fachleuten ist jedoch allgemein bekannt, dass Silikatfarben, die im Außenbereich an bewitterten Fassaden eingesetzt werden, nach etwa 6 – 9 Monaten keine Alkalität mehr aufweisen. Die Alkalität wird durch Witterungseinflüsse abgebaut.

Die Marketingabteilungen einiger Silikatfarben-Hersteller verbreiten die Auffassung, dass die Alkalität der Silikatfarben im Innenraum nicht abgebaut wird und somit ein dauerhafter Schimmelschutz bei Verwendung dieser Produkte besteht. Tatsächlich konnte in mehrmonatigen Labortests keine Abnahme des pH-Werts der beprobten Silikatfarben [2] festgestellt werden. Eigene Tests in einem großen Schulgebäude in Berlin haben jedoch gezeigt, dass bei einer Überprüfung der pH-Werte von Silikatanstrichen unterschiedlichen Alters, die Alkalität und damit die pilzwidrige Eigenschaft keineswegs auf ewig erhalten bleibt.¹ Auch wenn sich der Alkalitätsabbau langsamer als im Außenbereich vollzieht, so ist er zumindest in diesem Objekt nachweisbar. Anstriche die zum Zeitpunkt der Überprüfung etwa 8 Jahre alt waren, wiesen pH-Werte zwischen 7 und 8 (pH-Wert 7 = neutral) auf. Bei etwa 2 Jahre alten Anstrichen lagen die pH-Werte zwischen 9 und 10. Erstaunlich war, dass ein erst 2-3 Monate alter Anstrich nur noch einen pH-Wert von etwa 10 hatte. Die Überprüfung in der Praxis eines genutzten Objektes zeigt, dass die Alkalität offenbar nicht grundsätzlich dauerhaft erhalten bleibt und somit  in diesem Fall, bei gleichzeitigem Auftreten von Kondenswasser oder einer längerfristig einwirkenden relativen Luftfeuchtigkeit von > 70%,  ein Wachstum vieler Schimmelpilzarten spätestens nach 2 Jahren Standzeit möglich wäre. Daher kann man zwar, bei der Verwendung hochwertiger Silikatfarben, von einer Verzögerung des Schimmelpilzwachstums sprechen, nicht jedoch von einer dauerhaften Schimmelpilzvermeidung.

¹In diesem Objekt wurde sowohl beim Erstanstrich, als auch bei weiteren Teilüberarbeitungen zunächst ein hochwertiges Markenprodukt verwendet. Die Anstriche von Teilflächen in der jüngeren Vergangenheit wurden dann mit preisgünstigeren Alternativprodukten ausgeführt.

III. Innenwandfarben mit Silberzusätzen

Seit einigen Jahren werden in diesem Zusammenhang immer wieder auch Innenwandfarben mit Silberzusätzen als pilzwidrig angepriesen. Arrivierte Markenhersteller setzen Silber-Ionen jedoch ausschließlich für eine bakterizide Wirkung spezieller Anstrichprodukte ein. Die antibakterielle Eigenschaft des Silbers wurde mehrfach nachgewiesen. Für eine ausreichende pilzwidrige Wirkung müsste jedoch die Konzentration des Silberanteils so hoch ausfallen, dass die unschöne Nebenwirkung des Silbers grau-schwarze Oxidationsprodukte zu bilden [3]  (kennt man von altem Silberbesteck), zu einer deutlichen Vergrauung des Anstrichs führen würde.

Fazit:

Eine Verzögerung von Schimmelpilzbefall durch Anstriche ist, auch bei weiterhin „pilzbegünstigen“ Bedingungen, zeitlich begrenzt möglich. Hierbei sind am ehesten hochwertige Dispersions-Silikatfarben ohne weitere fungizide Zusätze  als gesundheitlich unbedenklich und zeitweilig wirksam einzustufen. Die Dauer der Wirksamkeit ist von den im Einzelfall vorliegenden bauklimatischen Bedingungen und möglicherweise auch von der jeweiligen Nutzungsintensität abhängig.  Die Wirkungsdauer von fungizidhaltigen Anstrichmitteln ist ebenfalls zeitlich begrenzt. Deren Verwendung in bewohnten Innenräumen wird vom Umweltbundesamt, auf Grund möglicher Gesundheitsgefährdung, nicht empfohlen. Der Einsatz von Silberanteilen in Anstrichstoffen ist zwar nach bisherigen Erkenntnissen gesundheitlich unbedenklich, deren pilzwidrige Wirkung jedoch so gering, dass nur ein sehr hoher Silberanteil zum gewünschten Ergebnis führen würde. Gleichzeitig müsste auf Grund der Oxidation des Silbers eine deutliche Vergrauung des Anstrichs in Kauf genommen werden.
Grundsätzlich ist es für eine dauerhafte Schimmelfreiheit erforderlich die Ursache/-n der erhöhten Feuchtigkeit festzustellen und diese dann zu beseitigen, denn ohne ein ausreichendes Feuchtigkeitsangebot gibt es kein Schimmelpilzwachstum.

Quellen:

[1] „Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“, Umweltbundesamt

[2] Dr. Johannes Rainer, Mykon – Technisches Büro für Biologie und Mykologie, Hall und Innsbruck, Österreich

[3] Dr. Engin Bagda, Leiter des Dr. Robert-Murjahn-Instituts

Autorin:

Anja Weigel, von der Handwerkskammer Berlin öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für das Maler- und Lackiererhandwerk, Sachverständigenbüro für Ausbau und Fassade, www.sachverstand-weigel.de