Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift
„DAS GRUNDEIGENTUM“, Heft 21 – 2012, S.1477/1478

Die Katze im Sack – Bauleistungen anders als erwartet

Was Ausschreibungstexte und funktionale Baube-schreibungen versprechen und was sie tatsächlich halten

Wenn private oder gewerbliche Bauherren komplexe Bauleistungen beauftragen wollen, wenden sie sich naturgemäß an einen Architekten oder eine Bauträgergesellschaft.  Diese erstellen dann ein Projekt und leiten die Beauftragung von Fachhandwerkern in die Wege.

Der geneigte Bauherr erwartet zunächst eine fachlich korrekte Planung und am Ende eine solide ausgeführte Bauleistung, die möglichst die geplanten Kosten nicht überschreitet. Das sollte eigentlich funktionieren. Doch nicht selten steht die Bauherrschaft gegen Ende der Bauarbeiten verärgert, mitunter ratlos vor oder in der betreffenden Immobilie, weil das Werk nicht dem entspricht, was sie sich vorgestellt hatte.
Ursachen für Fehlplanungen und Baupfusch gibt es sehr viele, eine davon wäre jedoch leicht aus dem Weg zu schaffen, durch intensivere Kommunikation zwischen Planern und Bauherren, sowie zwischen Planern und Handwerkern.
Das Nicht-Funktionieren der erforderlichen Kommunikation zeigt sich immer wieder an unvollständigen, ungeeigneten oder schlicht weg irreführenden Leistungsbeschreibungen in funktionalen Baubeschreibungen für Erwerber oder Bauherren und ebenso in den Leistungsverzeichnissen für ausführende Handwerker.
Dazu ein paar Beispiele:

1. Ungeeignete Leistungsbeschreibung für Oberflächenqualität von Gipskartonplatten und Innenputz

Der Kundenwunsch: Beschichtung (Anstrich) mit matter Oberflächenoptik, direkt auf Gipskartonplatten oder Innenputz ausgeführt. Klingt einfach – scheint es aber nicht zu sein. Warum?
In der Praxis werden hier für das Erstellen von Gipskartonoberflächen und Innenputzen nach wie vor Leistungsbeschreibungen mit Vokabeln wie oberflächenfertig, malerfertig oder streiflichtbeständig, benutzt. Diese beschreiben aber die zu erbringende Leistung nicht im erforderlichen Maß. Deswegen haben die entsprechenden Fachverbände vor Jahren Qualitätsstufen* für solche Oberflächen entwickelt, die teilweise sogar Einzug in Normen wie z.B. die DIN V 18550 2005-04, gehalten haben. In Merkblättern und Normen ist auch ganz genau beschrieben, wie diese herzustellen sind und für welche Folgebeschichtungen sich diese Oberflächenqualitäten eignen.
Bedauerlicherweise werden, selbst bei Verwendung dieser Qualitätsstufen, aus Gründen der Kostenersparnis oder aus Unkenntnis, für die gewünschten Folgebeschichtungen ungeeignete Oberflächenqualitäten ausgeschrieben.
Der Endverbraucher ahnt als Laie nicht, dass eine Gipskartonoberfläche oder ein Putz in Q 2 (Standardqualität) sich hinsichtlich der Oberflächenoptik nicht für die Beschichtung mit einer matten Innenwandfarbe, sofern diese nicht quarzgefüllt und strukturiert werden soll, eignet. Für diese alltäglich massenhaft geforderten Anstriche (Standardqualität), ist die Mindestanforderung an einen Untergrund aus Gipskartonplatten eine Q 3 (für erhöhte Anforderungen). Bei Innenputzen ist eine Q 3, abgerieben oder gefilzt (für erhöhte Anforderungen), die Mindestanforderung. Sobald der Anstrich einen mittleren Glanz aufweist ist dies schon nur noch mit einer Q 4, geglättet oder abgerieben(für höchste Anforderungen), zu einem optisch guten Ergebnis zu bringen.
Die Herstellung einer geeigneten Oberflächenqualität bei Gipskarton- und Putzoberflächen ist umso bedeutsamer, je mehr Streiflicht auf diese fällt, z. B. durch großformatige Fenster, Glaswände oder auch Wandstrahler. Im Streiflicht werden selbst kleinste, in der Draufsicht nicht erkennbare, Unebenheiten deutlich sichtbar. 

2. Ausschreibung ungeeigneter Materialien

Stellvertretend für viele weitere, teilweise gravierendere Fehlbeschreibungen soll hier aus einer real existierenden, funktionalen Baubeschreibung für Wohnungserwerber, erstellt durch ein Architekturbüro, zitiert werden. Die nachfolgend beschriebene Leistung sollte in einem fünfgeschossigen Mehrfamilienhaus an den Treppenhauswänden im unteren Wandbereich bis auf Handlaufhöhe, einem mechanisch hochbelasteten Bereich, der häufig Verschmutzungen ausgesetzt ist, ausgeführt werden:
„Gewebetapete mit einem wischfesten Anstrich“. Diese Leistung auszuführen ist selbst für einen exzellenten Handwerker ein Ding der Unmöglichkeit. Warum? Eine Gewebetapete besteht aus einem textilen Gewebe (Abb. 1), welches auf ein Papierträgermaterial kaschiert ist. Sie zählt zu den fertigen Wandbekleidungen, die nicht für die nachträgliche Behandlung mit Anstrichen vorgesehen sind. Ein Maler dürfte, will er nicht gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik verstoßen, diese gar nicht überstreichen. Man kann vermuten, dass der Architekt eine Glasgewebe-Wandbekleidung (Abb. 2) ausschreiben wollte, die tatsächlich überstrichen werden kann und muss. Diese wäre für diesen Lastfall auch geeignet. Ein Handwerker hat jedoch das zu verarbeiten, was ihm durch die Leistungsbeschreibungen vorgegeben wurde.

abbildung 1 abbildung 2
Abb.1 Gewebetapete -
nicht übertsreichbar
Abb.2 Glasgewebe -
übertreichbar

Damit nicht genug – auch der wischfeste Anstrich ist für diesen Anwendungsfall nicht geeignet. Abgesehen davon, dass Begriffe wie wischbeständig, waschbeständig und scheuerbeständig schon seit Jahren normativ durch die Nassabriebklassen 1-5 ersetzt worden und somit für professionelle Leistungsbeschreibungen nicht mehr geeignet  sind, ist diese Materialqualität in einem Treppenhaus nicht ausreichend. Um es anschaulich zu machen: eine Leimfarbe, die sich bei Wassereinwirkung wieder löst, ist ein wischbeständiges Anstrichmittel. Als solches muss sie nur an der Wand haften und darf beim Darüberstreichen mit der (trockenen!) Hand oder dem Vorbeistreifen mit dem Jackenärmel nicht abfärben.
Dass ein solch „wischfestes“ Anstrichprodukt nicht für den unteren Wandbereich in einem Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses geeignet ist, versteht der Laie sehr wohl, nur kann er naturgemäß aus dem Text nicht entnehmen, was er tatsächlich bekommt.

3. Ausschreibung mit überholten und irreführenden Klassifizierungen für Anstricheigenschaften - oder: Was bedeutet „scheuerbeständig“?

Wie in Punkt 2. schon beschrieben, sind Begriffe wie „waschbeständig“ und „scheuerbeständig“ nicht mehr normativ beschrieben und somit auch keine verlässlichen Bezeichnungen für das Ausloben von Anstricheigenschaften. Sie werden jedoch, auch von den Farbherstellern, häufig noch parallel zu den aktuell gültigen Nassabrieblassen bei der Deklaration verwendet, da sie weit verbreitet sind – also bei Endverbrauchern eine Assoziation hervorrufen. Aber da sind wir auch schon beim eigentlichen Problem! Beide Varianten für die Beschreibung von Anstrichqualitäten geben nur Auskunft darüber, wie hoch die Beständigkeit des jeweiligen Anstrichs gegenüber einer mechanischen Belastung unter Einwirkung von Wasser ist (deswegen heute mit dem Begriff „Nassabriebklasse“ bezeichnet). Den Endverbraucher interessiert meistens aber vielmehr, ob der Anstrich beim Reinigen auch sauber wird. Nur darüber erfährt er, egal mit welcher dieser Klassifizierungen, erst einmal gar nichts! Hier ist er also auf fachkundige Beratung angewiesen! Und die könnte zum Beispiel so aussehen:
Einen guten Reinigungserfolg erzielt man prinzipiell auf dichten, geschlossenen Oberflächen. Diese haben in der Regel einen mehr oder weniger starken Glanzgrad (und die Nassabriebklasse 1 oder 2, ehemals scheuerbeständig). Möchte man jedoch eine matte oder stumpfmatte Oberflächenoptik haben, schränkt sich die Produktauswahl schon sehr stark ein. Die gute Nachricht ist, dass es seit einigen wenigen Jahren Innenwandfarben gibt, die eine matte Oberflächenoptik und eine gute Reinigungsfähigkeit besitzen. Die Hersteller gehen dazu unterschiedliche Wege.
Bei einer der Produktgruppen wird  auf den Zusatz von Keramikpartikeln gesetzt, die die Oberfläche höchst widerstandsfähig machen. Reinigt man diese Oberflächen mit einem fusselfreien Mikrofasertuch bekommt man einen großen Teil der Verschmutzungen weg (Abb. 3-5). Der bei dunklen Farbtönen häufig bemängelte „Schreibeffekt“ (helle Streifen durch mechanische Beanspruchungen – Abb.6) kann so auch wirkungsvoll beseitigt werden. Gleichzeitig wird der „Poliereffekt“ (dunkler wirkende Glanzstellen, die durch Reinigungsversuche entstehen können) vermieden.
Bei einer anderen Produktgruppe wurde die matte Oberfläche so eingestellt, dass diese sich mit einem weichen Baumwolltuch und einem speziellen Reinigungsprodukt  ohne Poliereffekt erfolgreich reinigen lässt.

abbildung 3
Abb.3 alltägliche Verschmutzungen an einer Wand
 
abbildung 4
Abb.4 Reinigung einer mit Keramikpartikeln versetzten Wandfarbe, die mit einem Microfasertuch
 
abbildung 5
Abb.5 Erfolgreich gereinigter Wandanstrich
 
abbildung 6
Abb.6 Entfernen eines Schreibeffekts von einer mit Keramikpartikeln versetzten Beschichtung mit einem Microfasertuch

Auch die besten Produkte im Bereich der matten Innenwandfarben haben ihre Grenzen in der Reinigungsfähigkeit. Doch hat sich diese inzwischen deutlich verbessert. Allerdings gibt es auch in dieser Produktpalette Vertreter die mehr versprechen, als sie halten. Deswegen mein Rat: Lassen Sie sich die Reinigungsfähigkeit an Hand von Musterplatten vorführen!
Definitiv nicht gut reinigen lassen sich die allseits zu Recht beliebten Silikatfarben. Unglücklicherweise werden diese von Planern gern für die Wandflächen in Kitas und Schulen ausgeschrieben. Sobald die ersten Verschmutzungen auftauchen, stellen die Nutzer fest, dass diese nicht durch Reinigen wegzukriegen sind. Saubere Wände bekommt man dann nur durch Überstreichen der Verschmutzungen und das auch noch wandweise, weil kleinere Ausbesserungsstellen sich deutlich abzeichnen.
Die hier aufgeführten, häufig vorkommenden Mängel in Leistungsbeschreibungen für Wand- und Deckenoberflächen stehen beispielhaft für eine ganze Reihe von zum Teil gravierenderen Fehlbeschreibungen, deren Auswirkungen der Bauherr oder Nutzer eines Gebäudes in der Regel erst nach mehreren Jahren erkennen kann. In den meisten Fällen ist eine unabhängige Beratung zwar mit Kosten verbunden, zahlt sich erfahrungsgemäß aber immer dann aus, wenn dadurch unbefriedigende Bauleistungen oder sogar Bauschäden vermieden werden können.

Quellen:

Merkblatt 2, Verspachtelungen von Gipsplatten – Oberflächengüten, Bundesverband der Gipsindustrie e.V.

Merkblatt 3, Putzoberflächen im Innenbereich – Qualitätsstufen: Abgezogen, Geglättet, Abgerieben, Gefilzt, Bundesverband der Gipsindustrie e.V.

DIN V 18550, Putz und Putzsysteme – Ausführung,

BFS – Merkblatt 12, Oberflächenbehandlung von Gipsplatten, Technische Richtlinien für Maler- und Lackiererarbeiten,

BFS – Merkblatt 10, Beschichtungen, Tapezier- und Klebearbeiten auf Innenputz, Technische Richtlinien für Maler- und Lackiererarbeiten,

DIN EN 13 300, Beschichtungsstoffe – Wasserhaltige Beschichtungsstoffe und Beschichtungssysteme für Wände und Decken im Innenbereich

* Qualitätsstufen Q 1-4, wobei die Q 4 hinsichtlich der Ebenheit und der Optik die beste Qualität aufweist. Wechselnde Schattierungen und Abzeichnungen im Streiflicht sind minimiert.